Artur Södler Software-Qualität

Wann ist mehr Qualität überhaupt sinnvoll?


Wer sich für dieses Thema interessiert, den drückt der Schuh. Vielfach kommt es soweit, dass aktuelle Projekte und Entwicklungen vom Reparaturstau der alten Projekte ernsthaft verzögert werden, und Kunden drohen abzuspringen.

Termine werden zu wagen Versprechungen, werden ständig verschoben. Nur allzu gern erliegt man der Verlockung, ein potemkinsches Dorf abzuliefern, das erst einmal den Kunden schnell zufriedenstellt. Tom DeMarco beschreibt diesen Zustand in seinem Buch "Der Termin" sehr klar und abschreckend.

Sehen Sie sich einmal die folgenden Thesen an:

•    Termindruck verschlechtert die Qualität.
•    Flüchtig und nachgebessert ist aufwändiger als von vornherein gründlich.
•    Der Aufwand durch Nachbesserungen ist schwer planbar. Nachbesserungen werden kaum eingeplant.
•    Ungeplantes bringt den Terminkalender durcheinander.

Haben Sie es erkannt? Es ist ein Teufelskreis wie die Schuldenspirale. Ist es erst einmal so weit gekommen, fressen einen die Zinsen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten auf. Und genau so muss man auch den Reparaturstau von Software betrachten: Es sind Schulden, die getilgt werden müssen, die uns erdrücken können und eigentlich in der Bilanz auftauchen sollten.

Wünschenswert ist das Gegenteil. Die Mindestanforderungen sind:

•    Die laufenden Nachbesserungen gefährden nicht neue Termine.
•    Der unnötige Mehraufwand durch Nachbesserungen ist kleiner als der unnötige Mehraufwand durch von vornherein zu sorgfältige Arbeit.

Nicht nur Nachbesserungen bedeuten Mehraufwand (Annahme der Reklamation, Fehlersuche, Korrektur, Build, Auslieferung, Korrektur fehlerhafter Daten usw.), sondern auch Sorgfalt bei der Entwicklung. Zuviel Sorgfalt kostet auch.

Zwischen diesen beiden gilt es nicht einfach abzuwägen. Vielmehr gilt es der Qualität soweit Vorrang einzuräumen, wie es Ihnen der Kunde wieder dankt — in Form von Geld und Empfehlungen.

Es gibt in der Praxis ein gewisses Maß an Schwäche, das sich eine Software erlauben darf. Dieses Maß orientiert sich an den Kundenerwartungen: Funktioniert im wesentlichen alles richtig, verzeihen wir der Textverarbeitung gerne, wenn sie den Namen unseres Ansprechpartners (sagen wir mal Herrn Kummerer) als Rechtschreibfehler ankringelt. Sind aber ab und zu die letzten zwei Seiten weg, weil das Programm abgestürzt ist, wird es hässlich. Ist der Absturz auf zuwenig Speicherplatz zurückzuführen, handelt es sich um marktübliche Qualität. Stufen Sie Ihre Produkte doch einmal ein:

schlechte Qualität

Die Software-Installation schlägt je nach vorinstallierter Umgebung ohne weiteren Hinweis fehl. Die Software erfüllt die Anforderungen generell nicht. Wichtige Funktionen fehlen, die Ergebnisse sind nicht reproduzierbar. Beim Auslösen einer Funktion gibt es kein Feedback, der Anwender weiss nicht, ob das Programm noch arbeitet. Es kommt vor, dass ein gespeichertes Dokument nicht wieder eingelesen werden kann, oder einen irreversiblen Fehler enthält. Die Anwender sind frustriert und konfrontieren Sie mit Fehlern und Ansprüchen, die Hotline wehrt ab. Empfehlungen fallen negativ aus.

marktübliche Qualität

Die Software-Installation prüft Voraussetzungen, schlägt aber je nach vorinstallierter Umgebung ohne weiteren Hinweis fehl und deinstalliert wieder vollständig. Auf der Homepage des Herstellers finden sich Installations-FAQ, die Hinweise auf mögliche Ursachen enthalten. Die Software erfüllt die Anforderungen in der Regel. Die vielen nachträglichen Erweiterungen machen das System etwas unübersichtlich. Bei Ressourcenknappheit kommt z.B. eine Fehlermeldung ohne Inhalt. Sehr seltene Abstürze, mit Datenverlust. Bei Beanstandungen verweist die Hotline in erster Linie auf die kostenpflichtige Folgeversion. Trotz einer gewissen Unzufriedenheit wird das Produkt empfohlen — wenn es nichts besseres gibt.

erwartete Qualität

Die Software-Installation prüft Voraussetzungen, bricht aber dennoch mit einer aussagekräftigen Fehlermeldung ab und deinstalliert wieder vollständig. Die Software erfüllt die Anforderungen. Die vielen nachträglichen Erweiterungen sind gut gegliedert. Bei Ressourcenknappheit kommt z.B. eine Fehlermeldung ohne Inhalt. Keine Abstürze, kein Datenverlust. Bei Beanstandungen empfiehlt die Hotline zwar zunächst die kostenpflichtige Folgeversion, aber auch in älteren Versionen wird nachgebessert. Ganz alte Versionen fallen aus dem Raster. Kunden nutzen die kostenpflichtigen Updates gerne. Das Produkt hat auch bei Konkurrenz am Markt eine Chance.

hohe Qualität

Die Software-Installation prüft Voraussetzungen, zeigt die einzelnen Installationsschritte, unterbricht aber dennoch mit einer aussagekräftigen Fehlermeldung. Wahlweise kann die fehlende Voraussetzung noch geschaffen werden, oder die Installation wieder vollständig entfernt werden. Die Software erfüllt die Anforderungen uneingeschränkt und liefert stets und flott reproduzierbare Ergebnisse. Die Funktionsvielfalt besteht nicht aus zahlreichen eigenständigen Erweiterungen, sondern ist grundlegend geordnet. Die zur Fehlerbehandlung notwendigen Ressourcen wurden zu Beginn reserviert, Fehlermeldungen sind klar und beschreiben die Ursachen und mögliche Abhilfen. Verarbeitungsschritte sind modular und nachvollziehbar gestaltet. In der Software befinden sich für den Kunden meist unsichtbar viele Plausibilitäts- und Grenzwertprüfungen. Fehler breiten sich nicht aus und führen nicht zu Folgefehlern. Einzelne Kunden sind so von dem Produkt so überzeugt, dass sie es von sich aus aktiv bewerben.

 
Artur Södler Software Qualität